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Von der Dienlichkeit der Dummheit und davon, wer wem die Bestimmungen bestimmt.

Emil, ein Mäuserich aus dem Hinterland, macht sich an einem späten Herbsttag noch einmal auf den Weg, um Vor-räte für den Winter zu sammeln. Hierbei wird er von einer Katze gestellt, die ihn fressen will. Doch kommt alles ganz anders. Emil ersinnt die Lüge, er könne hexen, also zaubern, und verstrickt so die Katze in ein Spiel zwischen Macht und Eitelkeit, zwischen Dummheit und schlauem Witz. Vom Tode bedroht setzt er die Katze in eine Zwickmühle, selbst Opfer ihres eigenen Handelns zu werden. Frisst sie den Mäuserich, dann in Gestalt eines verzauberten Steines, den zu fressen, die Katze mit eigenem Leben bezahlen werde. Oder sie laufe Gefahr, vom Mäuserich - nunmehr als verzauberter Hund - selbst gefressen zu werden. Ein nicht auflösbares Dilemma. So scheint es der Katze klüger, sich einmal selbst mithilfe des "Zauberers" in der Kunst der Verwandlung als Tiger zu versuchen, allein der Hunde wegen. Doch auch dieser Versuch endet für die Katze in einer demütigenden Niederlage. Ein zweisprachiges Lehrstück - nicht nur für Kinder - von der Dienlichkeit der Dummheit und davon, wer wem zu guter Letzt die Bestimmungen bestimmt.

Moiserisch Emil, Kurt Werner Sänger mit Illustrationen von Leonore Poth, Hardcover, 48 Seiten, Hanau 2017, ISBN 978-3-86314-333-6.


Kurt Werner Sänger will als Heimatdichter keinen geschönten Blick auf eine Region werfen. In seinem jüngsten Werk "Moiserisch Emil" stellt sich eine Feldmaus gegen eine Katze.

Kurt Werner Sänger lebt in einem Zwischenreich. Ihn einzuordnen, fällt schwer. „Ich bin kein Dörfler mehr, aber auch kein Städter geworden“, sagt der 67-Jährige, der in einem kleinen Ort im Kreis Marburg-Biedenkopf aufgewachsen ist und den es nach Stationen unter anderem in Fulda und Frankfurt 1991 nach Bad Vilbel verschlug. In seiner Brust wohnten zwei Seelen, sagt er. An der Stadt schätze er das Gefühl der Freiheit und die Möglichkeit, sich zu bilden. Am Dorf und dem Land mag er die Natur, das Essen, die Sprache.

Sänger vereint diese Lebenswelten – und steht zu ihnen. „Man nimmt sich mit, wohin man geht“, zitiert er einen Satz des Tübinger Philosophen Ernst Bloch. Mit seiner runden, mar-kanten Brille, dem längeren grau-blonden Haar und der leisen, bedächtigen Sprechweise würde er äußerlich selbst einen guten Philosophen abgeben.

Wenngleich er keiner ist, verbindet auch ihn mit der Sprache eine besonders enge Beziehung. Als Dialekt- und Mundartdichter hält er das Hinterländer Platt am Leben, was heute noch in Teilen des Landkreises Marburg-Biedenkopf, des Lahn-Dill-Kreises und des Kreises Waldeck-Frankenberg gesprochen wird.

Im Frühjahr ist Sängers Kindergeschichte „Moiserisch Emil“ (Mäuserich Emil), illustriert von der Frankfurter Künstlerin Leonore Poth, erschienen. In ihr nimmt es die Hinterländer Platt schwätzende Feldmaus Emil mit einer Hochdeutsch sprechenden Großstadtkatze auf. Eine hochdeutsche Übersetzung hilft dem Leser, sprachliche Barrieren zu überbrücken. Gespickt ist die Erzählung mit Kritik an politischen und gesellschaftlichen Autoritäten. Erstmals war „Moiserisch Emil“ 1987 im Band „schwortswaise raabooche“ (schwarzweiße regenbögen) zu lesen, Sängers erstem Lyrik-Bändchen. Seitdem veröffentlichte er Geschichten in Anthologien und Sammelbänden.

Kein klassischer Heimatdichter

Als klassischen Heimatdichter will sich Sänger indes nicht verstanden wissen. Ihm gehe es nicht um einen geschönten, verklärenden Blick auf eine Gemeinde, eine Region oder eine Landschaft. Vielmehr müssten auch Sprache und Themen den gesellschaftlichen Veränder-ungen Rechnung tragen und Kritik üben. Traditionalisten, die alles Bestehende bewahren wollten, ließen dies außer Acht.

„Den Arbeitsplatz ‚Dorf‘ gibt es nicht mehr, der ist tot“, sagt Sänger. „Die Leute müssen pendeln.“ Dialekte vermischten sich, es bildeten sich Regiolekte heraus. Sätze müssen sich bei ihm nicht reimen, Geschichten nicht lustig sein. Überspitzt formuliert, könne man ihn durchaus als „Anti-Heimatdichter“ sehen. Er stehe in der Tradition der Wiener Gruppe, einem Kreis experimenteller österreichischer Schriftsteller, der sich 1951/1952 konstituierte und bis 1964 bestand. Ihr Anliegen waren die Suche nach progressiven Schreibweisen und Ablehnung konventioneller Literatur.

Sänger ist mit dem Hinterländer Platt, einer Variante des Oberhessischen, groß geworden. Es zählt zu den ältesten Dialekten in Hessen. „Ich bin primärer Dialektsprecher.“ Im Elternhaus in Gönnern, das heute zur Gemeinde Angelburg gehört, sei nur Dialekt gesprochen worden, er-zählt er. Früh ließ er die Gemeindegrenzen hinter sich. Die Rückkehr dorthin ist seitdem immer eine auf Zeit. Vor einigen Wochen besuchte Sänger seinen Heimatort zuletzt und las dort aus dem „Moiserisch Emil“.

Zeitweise in der Kommunalpolitik aktiv

Nach der Volksschule in Gönnern absolvierte er eine Ausbildung zum Postschaffner in Dil-lenburg. Als Geldbriefträger kassierte Sänger in den 70er Jahren in der Frankfurter Nordwest-stadt Rundfunkgebühren und Ratenzahlungen und zahlte Lotto-Gewinne aus. In einer Ex-ternenprüfung erwarb er die Fachhochschulreife, studierte Sozialarbeit in Fulda und Frankfurt. Er arbeitete als Eisenbahnpacker, freier Autor und Musikant. In der Release-Bewegung, die sich gegen die Kriminalisierung von Drogenabhängigen aussprach und Hilfeeinrichtungen schuf, half Sänger, Betroffene von der Straße zu holen, ihnen Essen und eine feste Bleibe zu geben. Rund 13 Jahre war er in der Personal- und Sozialverwaltung im IB-Jugendsozialwerk tätig, heute Internationaler Bund.

In Bad Vilbel ist Sänger vor allem bekannt, weil er zeitweise in der Kommunalpolitik mit-mischte. Für die Grünen saß er im Ortsbeirat von Dortelweil, den er 2014 nach drei Jahren aber vorzeitig verließ. Dem von einem CDU-Ortsvorsteher geführten Gremium warf er vor, es prak-tiziere beim Verteilen von Geldern an Vereine „institutionalisierte Vetterleswirtschaft“. 2015 trat er ganz dann aus der Partei aus. Politik betrachtet Sänger mittlerweile als reines Machtge-schäft. Und Macht über Menschen, das könne er nicht ertragen. Da gehe es ihm so wie seinem Moiserisch Emil, der den vermeintlichen Weltplan, Mäuse seien zur Speise und Kurzweil der Katzen bestimmt, nicht akzeptiert und sich dagegen auflehnt.

Andreas Groth, Frankfurter Rundschau, Rhein-Main 2017.


Der Hinterländer Mäuserich Emil spricht platt und bekommt es mit einer arroganten Katze aus der Großstadt zu tun. Doch der Kleine gibt nicht klein bei und führt die Katze 
an der Nase herum.

Der „Moiserisch Emil“ ist ein „Arme-Leute-Märchen, das ausnahmsweise mal ein Happy End hat“, sagt der Autor Kurt Werner Sänger. Der in Gönnern Geborene lebt mittlerweile in der Wetterau. Mit der Frankfurter Illustratorin Leonore Poth hat er die Geschichte einer klugen Hinterländer Maus Emil und einer hochnäsigen Großstadtkatze als Kinderbuch veröffentlicht – auf Hinterländer Platt mit hochdeutscher Übersetzung.

Im Moment der höchsten Not, als die Katze Emil fressen will, weil der „Weltplan“ bestimmt, dass Katzen eben Mäuse fressen, hinterfragt der Mäuserich: „Un wea beschdimmt da häi däi Beschdimmung?“ Mit seiner gewitzten Art gelingt es Emil, das „Lügenkonstrukt der Eitelkeit der Katze“, wie Sänger es beschreibt, zu zerlegen. Am Ende bringt Emil die Katze sogar dazu, seinen bislang kargen Wintervorrat aufzufüllen. „Hinter der Geschichte stecken höchstdemo-kratische, sehr politische Aussagen“, sagt Sänger.

Sprache dokumentieren und Wandel beachten

Den „Moiserisch Emil“ hat Sänger schon vor 30 Jahren geschrieben und nun aus der Schubla-de gezogen. Das Politische und Kritische gehöre für ihn selbstverständlich zu seiner Arbeit. Als junger Mann habe er eine Möglichkeit gesucht, sich auszudrücken. „Da habe ich automatisch Dialekt gesprochen, die Mundartdichtung war naheliegend.“ Es missfällt ihm, dass viele Mund-artdichter und Brauchtumspfleger Politisches aus ihrer Arbeit fernhalten wollen und stattdessen lieber eine „Fiktion in der Retrospektive auf eine heile Welt“ aufrecht erhalten wollen. „Damit prägen sie einen skurrilen Heimatbegriff, der sich auf die Vergangenheit bezieht.“

Natürlich sei es wichtig, die alte Sprache zu dokumentieren, wie es die Brauchtumspfleger tun. Aber man müsse auch beachten, dass die Sprache stets im Wandel ist und man mit vielen alten Begriffen den heutigen Alltag nicht mehr bestreiten kann. „Es schmeißt aber auch niemand eine Schwälmer Tracht weg, nur weil man mit den sieben Röcken nicht in einen modernen Klein-wagen passt“, vergleicht Sänger. Wer den Dialekt so bewahren will, wie er früher war, leugnet diesen Wandel und schafft ein Sprachmuseum, ist Sänger überzeugt. „Das ist für mich ein Irrtum.“

Der Autor selbst schreibt in dem Dialekt, mit dem er in den 1950er-Jahren in Gönnern aufge-wachsen ist. Seine Schreibweise ist auf die Lautsprache ausgelegt, auf der gegenüberliegenden Seite ist jeweils die hochdeutsche Übersetzung zu lesen. Die Illustrationen drücken das Macht-gefüge zwischen der kleinen, detailreich gestalteten Maus und der großen, plumpen, klobigen Katze aus. „Leonore Poth hat die Geschichte auf Anhieb verstanden und auf die Sehgewohn-heiten der Kinder umgesetzt.“

Auch moderne Worte fließen in Mundart ein

Zwischendurch wird die Katze­ „bies und goschdisch, groat­ su, wäi e aales, ufahoirotes Schöul­lehrasche (...), deam e Fläi ie‘s Huinkdeppsche gescheasse­ hat“. Also „böse und garstig, ­gerade so wie ein altes, unverheiratetes Schullehrerchen (...), dem eine Fliege ins Honigtöpfchen ge-schissen hat“. Metaphern wie diese können vermutlich die Großeltern den ­Enkeln am besten erklären. „Das Buch richtet sich an Kinder von 4 bis etwa 80, 90 Jahre.“

Vielleicht können die Enkel dafür der älteren Generation erklären, was sie auf „Wäbsaire“ so alles „daunloare“ können. „Diese neuen Alltagsbegriffe sind längst dialektale Bestandteile, genauso wie Döner und Pizza“, erklärt Sänger und verdeutlicht die ­Veränderung des Dialekts. Bei allem Wandel, eines wird aus dem Hinterländer Platt wohl nicht verschwinden, ist sich der Gönnerner sicher: Das rollende, retroflexe „R“. „Sprachgewohnheiten legen sich auf Gaumen und Zungen nieder. Das kriegt man schlecht wieder raus. Da beugt sich das Gehirn der Zunge“, sagt Sänger.

In seiner Schublade hat der Autor noch einige Geschichten und Stoff für eine Novelle im Dia-lekt. Gemeinsam mit Illustratorin Leonore Poth sind zwei weitere Bücher geplant. Aus dem Moiserisch Emil wird Sänger Mitte Juni auch im Alten- und Pflegezentrum Assmanns Mühle in Gönnern lesen, der Termin wird noch bekannt gegeben. „Ich bin auf die Resonanz gespannt“, sagt Sänger.

Philipp Lauer, Oberhessische Presse, Marburg 2017.


"Moiserisch Emil" – so heißt die humorvoll-kritische Mundartgeschichte, die der in Dortelweil lebende Journalist Kurt Werner Sänger veröffentlicht hat. Bebildert wurde der Band von Leonore Poth.

Geschrieben hat Kurt Werner Sänger den "Moiserisch Emil" bereits vor 30 Jahren. Die in diesem Jahr vom Hanauer CoCon Verlag als Kinderbuch veröffentlichte Geschichte, die auch als Satire im Dialekt gelesen werden kann, lebt vom Sprachwitz der Mundart.

Obwohl Sänger bereits als Lehrling seine Heimatregion verließ – geboren und aufgewachsen ist er in Gönnern einem Ortsteil der Gemeinde Angelburg im Landkreis Marburg Biedenkopf – hat er das Hinterländer Platt, "das eine Variante des Oberhessischen ist" nie verlernt. "Das Hinter-länder Platt zählt zu den ältesten Dialekten in Hessen. Seine Strukturen sind noch teilweise aus dem Althochdeutschen ableitbar, das Lautsystem ist mit dem Mittelhochdeutschen verbunden.

Der für fremde Ohren eigentümlich klingende Dialekt gehört den westmitteldeutschen-fränkischen Sprachgruppen an. Er bildet eine Brücke zwischen dem mittelhessischen, rheinfränkischen Süden sowie dem niederhessischen und niederdeutschen Norden", informiert der Autor, der seit 1991 mit seiner Familie in Dortelweil wohnt.

Nach einer Lehre bei der Post, hat er Sozialarbeit in Fulda und Frankfurt studiert. Er arbeitete als Eisenbahnpacker und Flughafenarbeiter, als Sozial- und Personalverwalter in einem inter-nationalen Verband der freien Wohlfahrtspflege in Frankfurt. Seit 1995 ist er freiberuflicher Journalist, arbeitete unter anderem für die Wetterauer Zeitung. Für Bündnis 90/Die Grünen wurde er bei der Kommunalwahl 2011 in den Dortelweiler Ortsbeirat gewählt. Aus der po-litischen Arbeit hat er sich inzwischen jedoch zurückgezogen und auf sein Mandat als Nachrücker ins Stadtparlament verzichtet.

Held der Geschichte ist Mäuserich Emil, der ein sorgloses Mäuseleben im hessischen Hinterland unter einem Kartoffelstrauch lebt. Die perfekt "Hinterländer Platt" schwätzende Feldmaus ist mit sich und der Welt zufrieden. Im Spätherbst stellt Emil fest, dass er sich noch keinen Wintervorrat angelegt hat. Und so begibt er sich auf die abgeernteten Felder, um Körner, Beeren, Samen und Haferstroh zu suchen. Plötzlich fällt ein "großer, dunkler Schatten über die Furchen".

Verursacht hat ihn eine Hochdeutsch sprechende, hochnäsige Großstadtkatze. Sie will erst mit ihm spielen "Komm, auf, beweg dich!" und ihn dann fressen. Doch Emil behält die Ruhe. Er stellt der arroganten Jägerin Fragen, die diese ganz aus dem Konzept bringen. Es gelingt Emil, mit Ausdauer und seiner gewitzten Art, die Jägerin an der Nase herumzuführen und sie mit seiner Zauberkunst auszutricksen. Versteckt im Text hat der Autor auch eine politische Aussage. Die Katze teilt Emil mit, dass "wir Katzen die ausgewählten Geschöpfe und dazu bestimmt sind, euch Mäuse zu fressen." Worauf Emil nachfragt: "Und wer bestimmt dann hier diese Bestimmung?" Da dürfte nicht nur die Katze ins Grübeln geraten.

"Hinter der Geschichte stecken höchstdemokratische sehr politische Aussagen", betont Sänger. Sänger hat die Schreibweise der Dialekttexte in Lautgestalt übernommen. Beim Vergleich zeigt sich: Der Dialekt ist direkter und treffender. Bei ihm kommen das Politische und Kritische, aber auch der Witz und Schalk besser heraus als im Hochdeutschen. Dadurch wird der "Moiserisch Emil" zugleich ein Plädoyer für den Dialekt. Sänger lehnt eine "museale Verwendung" seines Heimatidioms ab. Hätten doch moderne Alltagsbegriffe wie "Wäbsaire" (Webseite) und "daunloare" (downloaden) längst Einzug in den Dialekt gehalten. "Sprache ist lebendig und stets dem Wandel unterworfen."

"Meine Heimatregion ist der Altkreis Biedenkopf, der zum Großherzogtum Darmstadt gehörte. Aus Sicht der Darmstädter waren wir das Hinterland. Der Begriff wurde später übernommen", erläutert Sänger. Er wurde 1950 in eine der ältesten Familien in Gönnern hineingeboren. "Sobald ich eine geografische Grenze überschreite, legt sich der Schalter im Kopf um, dann denke und fühle ich im Dialekt."

Und so ist auf den ersten Blick das Machtgefüge zwischen der kleinen detailreich gestalteten Maus und der großen plumpen Katze ersichtlich. Auf die vermeintlich Stärkere schüttet der Autor Hohn und Spott in Form bildhafter Vergleiche aus. "Als die Katze keine Antwort auf die Fragen von Emil weiß, faucht sie: ›Was soll das nun heißen?‹, wurde sie böse und garstig und schimpfte gerade so wie ein altes, unverheiratetes Schullehrerchen, dem eine Fliege ins Honigtöpfchen geschissen hat." Bis zum Ende der Geschichte bleibt es spannend, ob und wie sich der clevere Moiserisch Emil aus seiner prekären Lage befreien kann.

Christine Fauerbach, Wetterauer Zeitung 2017.